Erlebnisbericht von der Wintervogelzählung 2023

07. Januar 2023

Morgenrot - Schlechtwetter droht / copyright: Bernd Schirmeister
Morgenrot - Schlechtwetter droht / copyright: Bernd Schirmeister

Das neue Jahr hat begonnen und damit auch die neue Zählsaison.

 

An Wochenende vom 06.- 08.01.23 fand bereits die Stunde der Wintervögel statt - eine Mitmachaktion des NABU. Auch einige Mitglieder der Usedomer NABU- Regionalgruppe nehmen regelmäßig daran teil.

 

Während bei der NABU- Wintervogelaktion eine Stunde lang im Garten oder in einem Park alle Vögel gezählt werden, ist die Wintervogelzählung der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft M-V etwas anders organisiert. Hierbei werden auf festgelegten Routen von bis zu 5 km Länge in einem bestimmten Lebensraum alle Vögel registriert. Auch bei diesem Projekt sind Mitglieder der NABU-Gruppe aktiv. Da auf der Homepage bereits mehrfach über die Wintervogelzählung berichtet wurde, sei in Bezug auf die Methodik und Durchführung sowie frühere Ergebnisse und Auswertungen auf das Archiv der Homepage verwiesen.

Regenbogen - Schlechtwetter ist schon da / copyright: Bernd Schirmeister
Regenbogen - Schlechtwetter ist schon da / copyright: Bernd Schirmeister

Mein Beobachtungsgebiet beinhaltet eine Zählstrecke im Thurbruch zwischen Reetzow, Labömitz und Ulrichshorst, einem ausgedehnten ehemaligen Niedermoor mit größtenteils extensiv bewirtschaftetem Grünland, Gräben, eingestreuten Feldgehölzen, Baumreihen und kleinen Hecken.

 

Am Mittwoch, den 04.01. ging es los. Herrlicher Sonnenaufgang bei Reetzow, aber das Sprichwort sagt: Morgenrot- schlecht Wetter droht. In Labömitz dann ein wunderschöner Regenbogen - sollte es tatsächlich… Eine halbe Stunde später dann Dauerregen - Abbruch. Selbst wenn man entsprechend wetterfest angezogen ist, saut man sich die teure Optik ein und die Aktivitäten der Vögel kommen weitgehend zum Erliegen, so dass die Ergebnisse nicht repräsentativ sind.

 

Nach mehreren Regentagen in Folge, zwar wichtig für die Landschaft und das Grundwasser, aber ungünstig für die Zählung, war ein neuer Anlauf am Sonnabend, den 07.01. möglich. Zwar ohne Regen, aber die Landschaft hüllte sich in morgendlichen Nebel, was sich aber im Laufe des Vormittags einigermaßen gab. Doch dann kam die Sonne raus und die Gänse vom Schlafplatz auf dem Kachliner See, was auf gute Ergebnisse hoffen ließ. 

Und tatsächlich bestimmten die Gänse das Geschehen. Nachdem es während des kurzen, aber heftigen Wintereinbruchs Mitte Dezember weitgehenden Abzug der rastenden Gänsescharen gegeben hatte, drängen sie nun mit den milden Temperaturen zurück in Richtung Osten. Über 5000 waren es am heutigen Tag, davon 2200 Weißwangengänse, eine Art mit starker Zunahme. Dazu über 1100 Graugänse, unter denen wohl auch schon hiesige Brutpaare sind und 1900 nordische Blässgänse. Die übrigen waren Saatgänse, wobei sich darunter sowohl Wald- als auch Tundrasaatgänse befanden. Hauptbeschäftigung ist Fressen, möglichst viel Gras, um sich Fettreserven für den Weiterflug über tausende Kilometer in die arktischen Brutgebiete anzulegen. Zwischendurch wurde auch geflogen, aber nicht aus Langeweile, sondern weil sich außer mir auch mehrere Seeadler für die Gänse interessierten, wenn auch aus anderen Gründen. 

Dann gab es Seeadleralarm und regen Flugverkehr, der sich jedoch schnell wieder beruhigte, denn die verlorene Energie musste wieder rein. Leider konnte unter den Gänsemengen kein einziges farbberingtes Ind. gefunden wurden. Die älteren markierten Gänse sterben raus, die Bejagung auf den Zugwegen tut ein Übriges und wenn dann nicht entsprechend nachberingt wird, gibt es immer seltener ein Erfolgserlebnis.

 

Neben den Gänsen bestimmten Krähenvögel das Bild. Durch die Regenfälle der letzten Tage hatten sich kleinere Blänken im Grünland gebildet. Dort konzentrierten sich Nebel- und Saatkrähen sowie einige Dohlen, um nach ertrunkenen Regenwürmern zu suchen. Diese Krähen haben ihren Schlafplatz in Bansin in großen Pappeln und Kiefern an der Promenade und haben es dann nicht weit zu den Nahrungsflächen im Thurbruch. Das Treiben an den großen Pfützen war auch mehreren Trupps Sturmmöwen nicht verborgen geblieben. Diese Möwenart verbringt einen nicht unerheblichen Teil der Nahrungssuche an Land, um z. B. auf Wiesen oder Ackerflächen nach Würmern und Insekten zu jagen.

Bei den Greifvögeln war ein Rotmilan eher ungewöhnlich, eigentlich ein Zugvogel, der in Südeuropa überwintert. Auf Grund der milderen Winter gibt es im Süden Deutschlands inzwischen eine Reihe teils kopfstarker Schlafplätze, während es hier im Norden bisher bei Einzelbeobachtungen blieb.

 

Plötzlich ertönten die aufgeregten Rufe einer Wacholderdrossel. Und schon sauste sie vorbei, dicht gefolgt von einem Wanderfalken, der die erhoffte Beute jedoch nicht zu greifen bekam. Beim nächsten Mal wieder.

 

Ansonsten machten sich Greifvögel rar, Vogeljäger wie Habicht oder Sperber fehlten völlig. Das lag aber wohl daran, dass auch ihre Beutetiere weitgehend fehlten. Nur ein kleiner Starentrupp, Wacholderdrosseln im einstelligen Bereich, ein paar Kohl- und Blaumeisen sowie Finkenvögel in den Hecken und Feldgehölzen. Offenbar hatte das Winterintermezzo im Dezember auch bei diesen Arten für stärkeren Abzug gesorgt. Das zeigte sich auch an den niedrigen Zahlen bei Amseln und Rotkehlchen.

 

Einen Höhepunkt gab es aber doch noch-ein Raubwürger. Die Art ist Wintergast aus Skandinavien, eigentlich jedes Jahr im Thurbruch. Aber die Winterreviere sind groß und dann ist eine Begegnung in der weitläufigen Landschaft immer auch Glückssache.

 

32 Vogelarten in 6267 Exemplaren ist doch ein guter Beginn der neuen Zählsaison.

Bericht und Fotos: Bernd Schirmeister