Unsere September-Exkursion

in die Karrendorfer Wiesen

06. September 2025

Feuchtgebiet in den Karrendorfer Wiesen
Die Karrendorfer Wiesen / ©Jana Freitag

Am 06.09.2025 hieß das Exkursionsziel Karrendorfer Wiesen, nordwestlich von Greifswald. Dort waren wir bereits einmal vor einigen Jahren im Frühjahr, eiskalter Wind begleitete uns die ganze Zeit.

 

Das war heute völlig anders. Ein Spätsommertag wie aus dem Bilderbuch, 20°C, ein Sonne- Wolken- Mix, dazu moderater Nordwestwind, der sich nur morgens etwas kühl anfühlte, aber für eine unfassbar klare Sicht sorgte. Außerdem phänomenale Wolkengebirge über Bodden und flacher Wiesenlandschaft.

 

Um 09.00 Uhr war Treffpunkt auf dem Parkplatz am Schutzgebiet. Dieser war bereits gut frequentiert. Ein Geheimtipp sind die Karrendorfer Wiesen schon lange nicht mehr. Leute ohne Spektiv blieben ganztägig die Ausnahme.

 

Kleine Gruppe (nur fünf Teilnehmer - Jana, Christiane, Sabine, Margit und ich), aber großes Erlebnis. Der Weg war das Ziel und Ziele gab es zuhauf während der gesamten kurzweiligen Wanderung.

 

Doch der Reihe nach:

 

Die Karrendorfer Wiesen sind altes Kulturland. Schon um 1850 lassen sich auf alten Karten Dämme zum Schutz vor Überflutungen durch den nahen Greifswalder Bodden  nachweisen. Mit der Entwicklung entsprechender Technik wurde die Nutzung des Grünlandes erheblich intensiviert, die Deiche höher, die Gräben tiefer, so dass artenarmes Grasland entstand, abgekoppelt von der hydrologischen Dynamik des Greifswalder Boddens.

 

Diese Nutzung führte über viele Jahrzehnte zu erheblichen Moorsackungen, Salztorfe mineralisierten und führten zur Freisetzung großer Mengen klimaschädlicher Gase.

1993 wurden die Karrendorfer Wiesen das erste Moorschutzprojekt des Landes M-V. Die Deiche entlang der Küstenlinie wurden zurückgebaut, ein neuer Deich schützt nun die nahe gelegene Ortschaft Groß Karrendorf.

 

Das auf alten Karten noch gut ersichtliche Prielsystem wurde reaktiviert, so dass nun wieder natürliche Wasserverhältnisse in diesem ca. 400 ha großen Küstenüberflutungsmoor herrschen. Hochwasser können einfließen, über die Priele fließt das Wasser wieder ab. Salzwiesen, ein hoch bedrohter Lebensraum, entstanden neu, Torfbildung setzte wieder ein, ein wichtiger Beitrag, um dem steigenden Meeresspiegel Landerhöhung entgegenzusetzen.

 

Das Projekt wurde von Beginn an durch die Universität Greifswald wissenschaftlich begleitet, biotische und abiotische Faktoren ständig untersucht.

 

Und was man erhofft hatte, trat ein- das Leben kehrte zurück. Die Karrendorfer Wiesen wurden schnell zu einem bedeutenden Rastgebiet für viele Arten von Wasservögeln, insbesondere Enten und Limicolen. Es bildeten sich Schlafplatzgemeinschaften von Kranichen, Gänsen sowie verschiedenen Laridenarten. Das Mosaik aus offenen Wasserflächen, Prielen, kurzgrasigen Salzwiesen und Schilfflächen bietet einer großen Anzahl Vogelarten, aber auch vielen anderen Tieren eine Menge Lebensraum.

 

Was man noch erhofft hatte, trat auch ein - die Brutvögel kehrten zurück. Allesamt auf der Roten Liste versammelt, versammelten sie sich nun hier zum Brüten: Kiebitze, Sandregenpfeifer, Rotschenkel, Bekassinen, Säbelschnäbler, in jahrweise unterschiedlicher Anzahl und mit unterschiedlichem Bruterfolg, trotzdem ein großer Erfolg. Solche Brutgebiete für Küstenvögel sind aber kein Selbstläufer. 

 

Die Landschaft muss auch weiterhin genutzt werden, um unerwünschte Sukzessionen zu verhindern, Rinder und Wasserbüffel erledigen das. Bei starkem Aufwuchs muss auch gemäht werden. Das zeigte sich v.a. beim Schilf. Immer größere Flächen verschilften, wurden von den Rindern nicht mehr abgefressen. Da das Wasser zu lange in den Flächen stand, wurde das Prielsystem optimiert, um einen schnelleren Abfluss zu gewährleisten. Die Rinder können dann das junge Schilf verbeißen, was schließlich zum seinem Verschwinden führt.

Was schwimmt denn da? Was fliegt denn da? Was ruft denn da? / ©Bernd Schirmeister
Was schwimmt denn da? Was fliegt denn da? Was ruft denn da? / ©Bernd Schirmeister

Eine ganz wichtige Aufgabe ist die Bekämpfung von Prädatoren wie Fuchs, Waschbär, Marderhund, Dachs und Wildschweinen, denn solch attraktive Vogelansammlungen bleibt natürlich Raubfeinden nicht lange verborgen. Aber junge Füchse und junge Rotschenkel nebeneinander sind nicht zu kriegen, so dass hier ganz klar die bestandsbedrohten Zielarten im Fokus stehen, aber in ihrer Anwesenheit und in ihrem Bruterfolg in hohem Grad von diesen Maßnahmen abhängig sind.

 

Seit 2016 betreut die Michael- Succow Stiftung die Karrendorfer Wiesen, kümmert sich um Lebensraumoptimierung, Artenschutz, wissenschaftliche Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit.

Heute sind die Karrendorfer Wiesen Teil eines wesentlich größeren Schutzgebietsverbundes, zu dem außerdem noch die Insel Koos, der Kooser See und die darin befindliche Halbinsel Koos gehören.

 

Nur fünf Teilnehmer, aber drei Spektive, fast schon luxuriöse Ausstattung mit Optik, die aber auch ständig gebraucht wurde.

 

Schon am Parkplatz ließen sich Seeadler und Bekassine hören. Der dahinter und erhöht liegende Deich bot gute Sicht auf die vor uns liegenden Wasser- und Wiesenflächen. Goldregenpfeifer und Alpenstrandläufer wurden ausgiebig beobachtet, ebenso Gründelenten wir Krick- und Pfeifenten, wobei letztere als Weidegänger im Grünland auffällig waren.

 

Vor allem die verschiedenen Limicolenarten erwiesen sich als sehr ruffreudig, so dass ständig das Flöten der Brachvögel, die klagenden Rufe der Kiebitze, das Rätschen der Bekassinen, die scharfen Rufe der Grünschenkel, das Düdeln der Rotschenkel oder das weiche Pfeifen der Alpenstrandläufer zu hören war.

So recht vorwärts kamen wir auf dem mit Hin- und Rückweg ca. 7 km langen Rundkurs nicht. Ein Spurplattenweg führt bis an die Brücke zur Insel Koos, trockenen Fußes bequem zu belaufen, aber links und rechts direkt daneben das Küstenüberflutungsmoor.

 

Ständig gab es etwas Neues zu hören und zu sehen. Löffelenten und Schnatterenten, der lautstarke Einflug tausender Graugänse (die Suche nach farbberingten Ind. war leider nicht erfolgreich) und immer wieder Limicolen (insgesamt sahen wir 17 Arten, es gibt nicht viele Gebiete in M-V, wo das möglich ist) füllten mit Hilfe von Bestimmungsbuch und App die Tagesliste.

 

Auch eine Reihe interessanter Singvögel gab es in den Wiesen zu sehen. Rastende Braunkehlchen sowie Steinschmätzer wurden ausgiebig in Augenschein genommen. Dazu Wiesenpieper, Bach- und Schafstelzen und die allgegenwärtigen Starentrupps. Aus dem Schilf riefen allerwärts Bartmeisen, ließen sich aber nur selten sehen.

 

Schließlich wurde der erst vor kurzem am Plattenweg errichtete Moorpavillion erreicht, über dessen Bau- und Entstehungsgeschichte wir uns schon in Vorbereitung der Exkursion auf der Homepage der Succow-Stiftung informiert hatten. Ein interessantes Bauwerk aus einheimischen Hölzern und Schilf, bietet zudem Deckung beim Beobachten und Schutz bei ungünstiger Witterung. 

Kurz vor der Insel Koos kamen wir auch an den Landschaftspflegern des Gebietes vorbei, mächtige Rinder, die auch das Wasser nicht scheuten.

 

Dort boten sich auf einer großen Wasserfläche nochmals besonders komfortable Beobachtungsbedingungen. Dicht vor uns suchten hunderte von Limicolen, insbesondere Sichelstrandläufer und Alpenstrandläufer intensiv nach Nahrung, während die angrenzende Salzwiese voll mit Sandregenpfeifern war. Dazwischen dann der Höhepunkt, zwei Sumpfläufer, seltene Gäste aus dem hohen Norden Skandinaviens auf Zwischenrast in das afrikanische Winterquartier.

 

Die Limcolen waren unruhig. Häufig flogen sie ohne für uns ersichtlichen Grund auf, drehten ein paar Runden, um dann wieder zur Nahrungssuche einzufallen. Plötzlich kam der Grund in Sicht- ein jagender Wanderfalke, der neben den Limicolen auch Gründelenten und Lachmöwen sowie die Starenmassen mit hochriss. Letztere ballten sich sofort zu dicken Schwarmklumpen zusammen, um dem Angreifer die Auswahl eines einzelnen Vogels zu erschweren. Warnrufe aller Arten bildeten eine beeindruckende Klangkulisse.

 

 

Auf den Wanderfalken folgte eine diesjährige Rohrweihe und die Flugschau begann erneut.

Die Rinder machen ihren Job / ©Bernd Schirmeister
Die Rinder machen ihren Job / ©Bernd Schirmeister

Greifvögel konnten an diesem Tag viele Arten beobachtet werden. Turmfalken jagten nach Mäusen im Grünland, ein Rotmilan zog südwärts und dann kam plötzlich sogar noch ein Fischadler von Norden durchgezogen. Er rüttelte mehrfach ufernah über dem Kooser See, um dann seinen Weg nach Südwesten fortzusetzen. Die gute Thermik löste auch bei den Kranichen Zugstimmung aus, so dass uns immer wieder Trupps in Richtung Westen überflogen.

An der Beek nahe der Insel Koos / ©Bernd Schirmeister
An der Beek nahe der Insel Koos / ©Bernd Schirmeister

Hier war nun der Weg zu Ende. Wir standen auf der Brücke, die über die Beek auf die Insel Koos führt. Dort unterhält die Succow-Stiftung eine ständig besetzte Station, über die im Rahmen geführter Wanderungen auch die Insel Koos besichtigt werden kann.

 

Eine lange Bank bot bequeme und willkommene Sitzgelegenheit, so dass wir erst einmal unser Mittagspicknick einnahmen.

 

 

Der Rückweg ist auf dem letzten Stück vor dem Parkplatz Rundweg und führte uns zu einem Beobachtungsturm. Auf dem Wasser des Kooser Sees entdeckten wir Haubentaucher und Schellenten, auf der gegenüberliegenden Halbinsel Koos, ebenfalls Naturschutzgebiet, Mengen an rastenden Kiebitzen und Goldregenpfeifern sowie weidende Pfeifenten.

Die Zeit war fortgeschritten, die Konzentration ließ nach, aber Eisvogel und Schwarzkehlchen wurden auf den letzten Metern noch mitgenommen.

 

Ohren, Augen und Kopf voll mit Eindrücken wurde die Rückfahrt angetreten. Damit keine urbanen Entzugserscheinungen aufkamen, kehrten wir auf der Rückfahrt noch im bei Café Junge ein und ließen uns Kaffee und leckeren Kuchen schmecken.

 

Um diese Jahreszeit sind die Karrendorfer Wiesen zweifellos eines der attraktivsten Exkursionsziele in der näheren Umgebung Usedoms.

Bericht: Bernd Schirmeister

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Informationen über die Karrendorfer Wiesen
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