Auswertung der Wintervogelzählung 2021 des OAMV

Bernd Schirmeister

Schwan, Höckerschwan
Höckerschwan im Winter / Foto: NABU, Miriam Link

1. Teilnahme/Zählstrecken der Usedomer NABU-Regionalgruppe

  • Gebietskulisse ist im Vergleich zum Vorjahr unverändert geblieben
  • insgesamt wurden sechs Zählstrecken auf der Insel bearbeitet, die allesamt seit 2009 Bestandteil des von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft des Landes M-V initiierten Monitorings sind, um Genaueres über Vorkommen, Verteilung und Häufigkeit der bei uns überwinternden Vögel zu erfahren
  • damit machen wir nun das Dutzend Erfassungsjahre voll, so dass eine Menge Daten vorliegen, jeweils unter recht unterschiedlichen Bedingungen erhoben wurden
  • diese Datenreihen sind wertvolle Arbeitsergebnisse, sind doch im Vergleich zur gut untersuchten Brutvogelfauna, Daten zur Verbreitung unserer Vögel im Winter bisher nicht systematisch erhoben worden
  • durch die Beibehaltung der Zählstrecken über nun schon zwölf Jahre sind interessante Vergleiche möglich
  • die wichtigsten Lebensraumtypen Wald, Offenland und Siedlung wurden durch Zählungen abgedeckt
  • insgesamt waren sieben Mitglieder und Freunde der NABU- Regionalgruppe beteiligt, denen an dieser Stelle für ihren langjährigen Einsatz Dank ausgesprochen werden soll

Siedlung:     

  • Heringsdorf: K.- H. Loist, M. Kaster, z. T. B. Arnold, E. Schmurr, C. Friedrich
  • Bansin: B. Schirmeister
  • Streckenlänge bei zwei Strecken insgesamt 8, 750 km

Wald:

  • zwischen Kölpinsee und Ückeritz
  • Streckenlänge bei einer Strecke insgesamt 3, 600 km

Offenland:

  • zwischen Zinnowitz und Krummin: A. und K. Knapp
  • auf dem Gnitz: W. Nehls
  • im Thurbruch: B. Schirmeister
  • Streckenlänge bei drei Strecken insgesamt 12, 500 km.

2. Methodik

  • nach der von der OAMV vorgegebenen Anleitung waren je eine Zählung in den Monaten Januar und Februar in etwa vierwöchigem Abstand durchzuführen
  • geachtet werden sollte auf möglichst günstige meteorologische Bedingungen, z. B. wenig Wind, kein Niederschlag, vielleicht Sonnenschein, weil dadurch natürlich die Aktivität der Vögel und damit ihre Erfassbarkeit beeinflusst wird
  • die zu wählende Route sollte 3 bis 5 km lang sein, dabei sollte möglichst nur einer der o. g. Lebensraumtypen erfasst werden, das lässt sich in der Praxis nicht immer ganz genau einhalten, da es gerade auf Usedom noch abwechslungsreiche und eng miteinander verzahnte Lebensräume gibt
  • auf dieser Route waren alle Vögel zu erfassen, die eine Beziehung zum untersuchten Gebiet haben, d. h. überfliegende Vögel wurden u. U. nicht mitgezählt, wenn es sich eindeutig um Zug handelte und nicht um kleinräumige Ortswechsel oder Nahrungsflüge
  • das Zählgebiet sollte dabei kartenmäßig innerhalb eines Messtischblattes liegen, um spätere überregionale Auswertungen zu erleichtern

 

3. Erfassungsbedingungen

Winter an der Ostsee / Foto: NABU Insel Usedom, Jana Freitag
Winter an der Ostsee / Foto: NABU Insel Usedom, Jana Freitag

Wie schon die vier vorangegangenen Winter begann auch dieser Winter im Dezember mit einer milden Periode, so dass man denken konnte, alles bleibt wie aus den letzten Jahren gewohnt. Aber weit gefehlt, es gab mal wieder einen richtigen Winter mit teils strengem Frost und gebietsweise sehr ergiebigem Schneefällen. Der Jahresbeginn ließ davon erst einmal noch wenig erahnen, so dass Zähler, die ihr Gebiet zur ersten der beiden Zählungen frühzeitig bearbeitet hatten, noch milde Bedingungen und grüne Landschaft vorfanden.

 

Ab Mitte Januar kam es nach Durchzug eines Sturmtiefs von Nordwesten zum Einfließen kälterer Luftmassen aus Skandinavien. Die Temperaturen fielen deutlich (nachts bis -6°C), auch tagsüber gab es nun Frost. Die ersten Gewässer vereisten. Es war allerdings nur ein kurzes Winterintermezzo. In der folgenden Woche stiegen die Temperaturen bis auf 10°C an, allerdings ebenfalls nur kurz. Die Gewässer tauten schnell wieder auf. Danach wurde es bis Ende Januar erneut kälter. Tagsüber gab es sehr niedrige einstellige Werte, nachts leichten Frost. Genau zum Monatsende fiel Schnee, so dass sich eine ca. 5 cm dicke geschlossene Schneedecke ausbildete. Die Temperaturen sanken nachts bis -5°C, in einigen Regionen des Landes sogar bis -15°C, tagsüber um den Gefrierpunkt. Dazu wehte ein eisiger Ostwind, der vorläufig das Leben weitestgehend erstarren ließ.

 

Einen solchen Winter hatte man sich ja fast schon abgewöhnt, General Winter aber ließ nicht locker, v. a. an der Küste gab es teils ergiebige Schneefälle durch den sogenannten Lake- Effekt, im Bereich des Inselnordens fielen z. B. ca. 10- 15 cm Schnee, ab Koserow östlich waren es jedoch bis 30 cm besten Pulverschnees, der unter Windeinfluss in ungeschützten Lagen stark verwehte. Die Landschaft war also wieder einmal tief verschneit, nicht alle Wege zugänglich, alle Gewässer bis hin zu den inneren Küstengewässern gefroren und selbst am Ostseestrand bildete sich ein breiter Eisgürtel. Nun gab es schöne sonnige Wintertage, die aber auch noch Mitte Februar für eisige Nachttemperaturen bis nahe -20°C und tagsüber Dauerfrost sorgten. Das hatte natürlich Auswirkungen auf die Vogelwelt sowohl hinsichtlich des Artenspektrums, ihrer Menge und Verteilung als auch ihrer Aktivität.

 

4. Ergebnisse

Insgesamt wurden 10658 Vögel erfasst (2020: 16877 Vögel, 2019: 10919 Vögel, 2018: 16630 Vögel), dabei wurden bei der ersten Zählung 6359 Vögel und bei der zweiten Zählung im Februar 4300 Vögel registriert. Dieses Ergebnis entspricht insgesamt etwa dem Vorjahr, aber nur in seiner Gesamtheit, denn  bei vielen Arten zeigen sich deutliche Unterschiede. Vor allem die starke Abnahme bei der zweiten Zählung ist ein deutlicher Hinweis auf die sich verschlechternden Witterungsbedingungen, die mehrere Arten, z. B. Gänse zum teilweisen, andere Arten auch zum völligen Abwandern gezwungen hat. Insgesamt wurden 69 Arten registriert (2018: 68, 2019: 62, 2020: 64 Arten). Dabei fehlte keine der typischen Wintervogelarten, wobei sich einige Arten wie Erlenzeisig, Feldsperling oder  Goldammer sehr rar machten. Das Gros der Vögel wurde erneut von wenigen Arten bzw. Artengruppen gebildet, das sind Krähenvögel, Meisen und Finken, z. T. auch Drosselvögel und im Offenland Gänse. Viele Arten kamen oft nur in kleinen Gruppen oder Einzelexemplaren zur Beobachtung, aber gerade diese auch zu entdecken, macht oft den Reiz einer solchen Zählung aus, spornt den Ehrgeiz des Beobachters an, nachdem man die üblichen Verdächtigen über die Jahre recht gut kennengelernt hat.

 

Die große Anzahl von Arten zeigt aber auch die Vielgestaltigkeit der untersuchten Lebensräume  sowie deren Habitatqualität, v. a. im Offenland zeigen sich große Probleme für die Vögel durch die ausgeräumte Kulturlandschaft, die an vielen Stellen kaum noch Strukturen bietet, die den Vögeln Schutz, Deckung oder Nahrung bieten können. Wobei es dabei zu großen Unterschieden kommen kann und nicht jeder Zähler von jedem Beobachtungsgang beseelt nach Hause kommt. Manchmal ergeben sich jahrweise Unterschiede z. B. durch gefrorenen Boden, die Verfügbarkeit von Beerennahrung im Offenland, Störungen durch land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten, Störungen durch Prädatoren, wenn z. B. jagende Seeadler gerade die Gänsemassen vertrieben haben.

 

Der Wald erwies sich mit 13 Arten erneut als artenärmster Lebensraum, was aber nicht verwundern darf, bietet er doch im Winter nicht so vielen Vogelarten geeignete Lebensbedingungen, dafür traten manche Arten wie Ringeltaube, Kohl- und Blaumeise oft in größeren Individuenzahlen auf, in diesem Jahr standen auch wieder  Bucheckern als wichtige Nahrungsquelle für Kleinvögel in recht guter Menge zur Verfügung, allerdings regional sehr unterschiedlich verteilt. In den Siedlungen bot sich ein differenziertes Bild, es wurden 39 Arten beobachtet, es gab aber keine Massenvorkommen, auffällig waren die auf Grund des zuerst milden Wetters nur wenigen Futterstellen, so dass auch deshalb Konzentrationseffekte ausblieben. Im Offenland wurden 61 Arten gezählt, hier spielt natürlich die Habitatqualität eine entscheidende Rolle, ob ausgeräumte Agrarlandschaft oder strukturreiches Grünland ist für viele Arten der überlebenswichtige Unterschied, bei der vergleichsweise hohen Artenzahl spielen Überwinterungsversuche zunehmend eine Rolle wie z. B. bei Rotmilan, Kranich oder Kiebitz. Zur Darstellung weiterer Zusammenhänge sei hier ausdrücklich auf die ausführliche Auswertung der Wintervogelzählung 2016 verwiesen.

4.1 Wasservögel

Gänsesäger / Foto: NABU, Dagmar Jelinek
Gänsesäger / Foto: NABU, Dagmar Jelinek
  • insgesamt kamen 19 Arten zur Beobachtung (2019: 13, 2018: 14 Arten), eine vergleichsweise hohe Artenzahl
  • bei den Wasservögeln (nicht Zielarten dieses Programmes) waren um den Jahreswechsel bis in den Januar hinein überall noch große Ansammlungen zu beobachten, wie die Ergebnisse der Mittwinterzählung deutlich zeigten
  • manchmal halten sich aber auch auf den Wiesengräben Graureiher, Stockenten und Höckerschwäne auf, die dann natürlich miterfasst werden, eine Zählstrecke grenzt an die Krumminer Wiek, wo dann u. a. Gänse- und Zwergsäger beobachtet werden
  • die offene Agrarlandschaft wird v. a. von Gänsen zur Rast und Nahrungssuche genutzt, bei diesen Arten zeigte sich interessante Tendenzen bei der zweiten Zählung, während die Bestände der kälteresistenteren Grau- und Saatgänse stabil blieben, gab es bei den kälteempfindlicheren Bläss- und Weißwangengänsen eine ausgeprägte Winterflucht auf Grund des Kälteeinbruchs
  • beim Kranich (7 insgesamt, 2020: 23, 2019: 7)  kam es zu durchgängigen Überwinterungen, eine in diesem Jahr landesweite Tendenz, teilweise hatten die Brutpaare ihre angestammten Reviere gar nicht verlassen und konnten sogar noch mit ihren vorjährigen Jungen beobachtet werden, diese Tendenz der frühen Revierbesetzung verstärkte sich nochmals im Februar, allerdings konnten gerade zu den beiden Zählungen im Thurbruch keine Kraniche gehört oder gesehen werden, was jedoch nicht heißt, dass sie nicht in den Revieren waren, wie Beobachtungen zu anderen Zeitpunkten zeigten
  • die in den Siedlungen beobachteten Möwen nutzen oft die Dächer der alten Villen an der Promenade zur Rast, so dass sich ein Bezug zum Zählgebiet ergibt

 

4.2 Greifvögel

Mäusebussard / Foto: NABU, Hartmut Mletzko
Mäusebussard / Foto: NABU, Hartmut Mletzko
  • insgesamt kamen 8 Arten zur Beobachtung (2019: 6, 2020: 6)
  • häufigste Art war der Mäusebussard mit 26 Ind. (2019: 16, 2020: 16) und ausgeglichener Verteilung bei beiden Zählungen
  • Kleinsäuger als Nahrung standen sowohl auf  Wiesen- als auch Ackerflächen offenbar reichlich zur Verfügung, trotzdem blieben auffällige Konzentrationen aus, im Februar wurde es durch die Schneelage eng für den Mäusebussard, so dass verstärkt Bussarde in den Ortsrandlagen bzw. Ortschaften anzutreffen waren, wo sie der Hunger bis auf die Höfe an den Napf mit Hundefutter trieb 
  • Seeadler sind insgesamt 16 beobachtet worden (2019: 16, 2020: 25), teilweise kommt es immer wieder zu Konzentrationen v. a. von Jungadlern, die z. B. Gänse gemeinsam jagen, Ablesungen beringter Adler zeigen einen weiten Einzugsbereich der bei uns überwinternden Adler aus ganz M-V, den angrenzenden Bundesländern und auch aus den Ostseeanrainerstaaten, die jahrweisen Unterschiede sind schwierig zu interpretieren, manchmal sind es kleinräumige Verlagerungen, die aus günstigen Nahrungsquellen resultieren können, durch das milde Wetter sind wohl aber viele Adler östlich verblieben und gar nicht bis zu uns gekommen, auch bei der Mittwinterzählung wurden weniger Seeadler erfasst
  • während Turmfalken in früheren Jahren vielfach recht ausgeprägte Zugvögel waren, die bis Nordafrika zogen, verstärkt sich auch bei dieser Art die Tendenz zur Überwinterung, so dass Turmfalken regelmäßig in der Kulturlandschaft, aber auch in den Ortslagen beobachtet werden können, wo sie erfolgreich Mäuse und Kleinvögel jagen, z. T. befinden sich hier auch die späteren Brutplätze, z. B. Kirche in Bansin
  • ähnlich ist die Sachlage beim Rotmilan, früher fast reiner Zugvogel mit Winterquartieren in Spanien und Südfrankreich, heute gibt es z. B. in Sachsen in jedem Winter bereits kopfstarke Schlafplätze, hier noch selten im Winter, aber mit zunehmender Tendenz
  • ein besonderes Erlebnis sind immer Sichtungen von Wanderfalken, nach jahrelang nur Durchzugs- und Winterbeobachtungen brütet die Art inzwischen auch wieder in M-V und erfreulicherweise nach 50jähriger Abwesenheit sogar wieder auf der Insel Usedom

 

4.3 Tauben und Spechte

Buntspecht / Foto: NABU, Hartmut Mletzko
Buntspecht / Foto: NABU, Hartmut Mletzko
  • Ringeltauben kamen insgesamt 269 zur Beobachtung (2019: 334, 2020: 716)
  • Eicheln in den Wäldern und Parks fehlten weitestgehend als Nahrung, auch die Bucheckern waren offenbar recht schnell verbraucht, so dass größere Schwärme nicht beobachtet wurden und sich die Tauben gleichmäßiger und großräumiger verteilen mussten, dafür spricht auch die Abnahme bei der zweiten Zählung
  • häufigster Specht war der Buntspecht mit 33 Ind. (2019: 30, 2020: 31), die Unterschiede zwischen beiden Z. (13/20) können erfassungsbedingt sein, denn man darf nicht vergessen, dass solche Z. trotz guter Optik, scharfer Augen und Ohren nur kurze Momentaufnahmen darstellen, zumindest auf der Zählstrecke Bansin hat sich gezeigt, dass die Spechtreviere auch im Winter zuverlässig besetzt sind, im Februar steigt allerdings die Aktivität mit verstärkter Balz und dem arttypischen Trommeln der Vögel, so dass sie dann wieder besser zu erfassen sind, was sich auch im Zahlenverhältnis 13 zu 20 Buntspechten zeigt, zudem sind die Zahlen der auf den Zählstrecken erfassten Buntspechte seit Jahren stabil, was ebenfalls für konstante Reviere spricht
  • das Fehlen des Schwarzspechtes ist wohl erfassungsbedingt
  • erfreulich ist die Sichtbeobachtung eines Paares Grünspechte, nachdem schon eine Woche vorher ein Hörnachweis gelang, die Art zeigt in den letzten Jahren landesweit einen positiven Bestandstrend

 

4.4 Krähenvögel

Saatkrähe / Foto: Kathy Büscher, NABU Rinteln
Saatkrähe / Foto: Kathy Büscher, NABU Rinteln
  • Krähenvögel wurden in allen untersuchten Lebensräumen angetroffen, was für die hohe ökologische Anpassungsfähigkeit dieser Artengruppe spricht
  • erneut wurden sechs verschiedene Arten gesehen
  • die Art mit der höchsten Stetigkeit und weitesten Verbreitung ist die Nebelkrähe, die als Nahrungsopportunist viele verschiedene Lebensräume und Nahrungsquellen zu nutzen weiß, vom Spülsaum am Strand, zum Komposthaufen im Ort über Äcker und Wiesen in der Agrarlandschaft bis hin zum überfahrenen Wild am Straßenrand
  • Saatkrähen kommen auf Usedom nur noch als Wintergäste vor, Dohlen sind sehr seltene Brutvögel, die im Winter Verstärkung v. a. aus östlichen Regionen erfahren
  • die hohen Zahlen bei den Zählungen in Bansin resultieren aus dem wieder gut besetzten Schlafplatz im Ort, dieser Schlafplatz zeigte in diesem Jahr eine ungewöhnlich hohe Dynamik, im Herbst dominierten die in dieser Größenordnung noch nie beobachteten Nebelkrähen, während Saatkrähen und Dohlen fast überhaupt nicht am Schlafplatz registriert wurden, offenbar waren diese Arten auf Grund der bis dahin milden Witterung östlich verblieben und überhaupt noch nicht eingeflogen, die vielen Nebelkrähen müssen sich tagsüber zur Nahrungssuche über einen großen Einzugsbereich auf der Insel verteilt haben, im Ort sind nur wenige verblieben, in der Offenlandschaft sieht man sie zwar an vielen Stellen, aber nirgendwo in sehr großen auffälligen Ansammlungen, im Winter veränderte sich das Verhältnis der Arten stark, plötzlich waren auch Saatkrähen und Dohlen sehr präsent, während sich der Bestand an Nebelkrähen halbiert hatte, der zwischenzeitliche Verbleib dieser Krähen ist leider nicht bekannt, offenbar nutzten sie andere Schlafplätze, denn in der dritten Februardekade waren sie plötzlich wieder da (1300 Ind.)
  • dieses Ausweichen auf binnenseits geschützter gelegene Schlafplätze wurde auch schon in den Vorjahren bei ungünstiger Witterung, z. B. kaltem Ostwind, beobachtet

 

4.5 Singvögel

Rotkehlchen / Foto: NABU, Dorothea Bellmer
Rotkehlchen / Foto: NABU, Dorothea Bellmer
  • zu dieser Vogelgruppe gehören auch die vorstehend gesondert besprochenen Krähenvögel
  • sie sind die artenreichste Gruppe und stellen mit 30 Arten (2019: 32, 2020: 30 Arten) fast die Hälfte aller registrierten Arten, manche Arten werden oft nur in Einzelexemplaren registriert und fehlen dann jahrweise, z. B. gab es in diesem Winter kaum Seidenschwänze bei uns, auch Birkenzeisige und Berghänflinge fehlten in der winterlichen Vogelwelt weitestgehend, ebenso gelegentliche Überwinterer wie Bluthänflinge, erstaunlich ist das völlige Fehlen der Grauammer, eventuell ein Indiz für die doch an viele Stellen struktur- und nahrungsarme Offenlandschaft
  • Drosseln, Meisen und Finken bildeten die zahlenmäßig stärksten Gruppen
  • einige Beispiele sollen das erläutern:
  • Amseln wurden 191 (88/103) gezählt, (2019: 133, 2
  • 020: 112), ein vergleichsweise hoher Wert, der vielleicht auf einen guten Bruterfolg des Vorjahres hindeutet, die Zunahme bei der zweiten Z. spiegelt die Winterflucht der Amseln aus dem Wald wieder, wo die Nahrung erschöpft bzw. nicht mehr zugänglich war in die Ortschaften wieder, wo sie dann auch gut erfassbar waren
  • Rotkehlchen waren es insgesamt 48 (2019: 34, 2020: 49), die ähnlich hohe Zahl wie 2020 spricht für viele Überwinterer, v. a. in den Ortschaften waren Rotkehlchen auf den Zählstrecken allgegenwärtig, die Abnahme von 31 auf 17 zur zweiten Z. spricht eher für verhaltene Ruhe während der winterlichen Phase, als für realen Abzug oder Verluste, nach Winterende ließen sich die Rotkehlchen wieder überall sehen und hören
  • die Kohlmeise ist neben Amsel und Nebelkrähe die Art mit der höchsten Stetigkeit, kein Zähler kam ohne Kohlmeisen nach Hause, insgesamt wurden 649 Kohlmeisen gezählt (2019: 469, 2020: 779), 350 bei der ersten Z. und 309 bei der zweiten Z. sprechen für einen stabilen Winterbestand, sicher in den Ortschaften auch bedingt durch das Angebot an Futterhäusern, auffällig hohe Zahlen gab es mit 250 Kohlmeisen (114/136) auf der Waldstrecke bei Kölpinsee
  • Blaumeisen wurden 203 (113/90) gezählt, (2019: 324, 2020: 360), auffällig hohe Zahlen gab es bei dieser Art ebenfalls auf der Waldstrecke bei Kölpinsee mit 99 (57/42), die relative Gleichverteilung kann ähnliche Ursachen wie bei der Kohlmeise haben, ob die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich geringere Zahl an Blaumeisen auf das sich inzwischen auch in unserer Region auswirkende virusbedingte Blaumeisensterben zurückzuführen ist, muss offen bleiben
  • Zaunkönige kamen insgesamt 37 zur Beobachtung (2019: 28, 2020: 32, 2018: 41),  im Vergleich zu den Vorjahren ein hoher Wert, dabei beherbergt unsere Region sowohl nordische Überwinterer als auch angestammte Reviervögel 
  • Haussperlinge wurden 609 erfasst (2019: 609, 2020: 600), die Art ist ja ausschließlich auf Ortschaften und deren Randlagen beschränkt, im Laufe der Zeit lernt man die bevorzugten Aufenthaltsorte der Vögel gut kennen, oft sind das Bereiche mit dichten Hecken, die Schutz bieten und auch zum Schlafen genutzt werden, die fast gleichen Zahlen aus den letzten Jahren verblüffen schon ein wenig, dieselben Verdächtigen können es kaum in jedem Jahr sein, denn im Winter leben die Ortssperber fast ausschließlich von Haussperlingen, Katzen- und Verkehrsopfer sowie die natürliche Mortalität tun ein Übriges, trotzdem scheint die hiesige Sperlingspopulation gut in der Lage zu sein, diese Verluste durch entsprechenden Bruterfolg wieder auszugleichen
  • Feldsperlinge wurden 30 erfasst, eine sehr geringe Zahl, in der offenen Agrarlandschaft trifft man kaum auf Feldsperlinge, kein gutes Indiz für die Qualität der Landschaft, allenfalls an Viehhaltungen oder Futterstellen sind Feldsperlinge im Winter anzutreffen
  • Stare (2019: 122, 2020: 22) wurden bei beiden Zählungen angetroffen, insgesamt 399, davon 365 bei der ersten Z. und 34 bei der zweiten Z., diese Abnahme belegt Winterflucht, es kam jedoch auch mehrfach zu durchgängigen Überwinterungen, z. T. hielten sich Stare während der winterlichen Phase verstärkt in Ortschaften auf, um dort vom besseren Nahrungsangebot zu profitieren
  • Grünfinken wurden 138 (83/55) beobachtet (2019: 227, 2020: 322), die Art tritt konzentrierter in den Ortschaften auf, wo sie an Futterstellen ein häufiger Gast ist, aber auch im Offenland trifft man die Art in geringerer Zahl an, wo sie als Körnerfresser Nahrung findet, trotzdem waren es auffällig weniger als in den Vorjahren, ob hier eventuell das v. a. in südlichen Regionen grassierende Grünfinkensterben auch schon bei uns Auswirkungen hat, muss wie bei der Blaumeise offen bleiben
  • Erlenzeisig, mit 96 Ind. auffällig selten in diesem Jahr (2019: 377, 2020: 1048), eventuell gab es in den östlich und nördlich gelegenen Brutgebieten günstige Nahrungsbedingungen in Form von Erlensämereien, so dass der Zug schwächer ausgefallen ist
  • Goldammern wurden insgesamt  nur 24 gesehen (2019: 101, 2020: 15), ein ähnlich niedriger Wert wie beim Feldsperling, Goldammern schließen sich im Winter oft zu ähnlichen Trupps zusammen, um im Offenland in Ruderalvegetation oder an Viehhaltungen Sämereien zu fressen, so gab es größere Konzentrationen an einer Futterquelle bei Garz, so dass man bei der Interpretation der Daten auch ein bisschen vorsichtig sein muss, denn Vögel können fliegen und agieren großräumiger als wir manchmal vermuten.

 

5. Besonderheiten

  • Feldlerchen (2), erstmals überhaupt bei einer Wintervogelzählung, bedingt durch die teils hohen Schneelagen im Februar war die Landschaft fußläufig erst wieder mit dem rasch einsetzenden Tauwetter zugänglich, dadurch wurden einzelne Zählstrecken recht spät begangen, was dann mit dem zügig beginnenden Frühjahrszug zusammenfiel
  • Rotdrossel (1), eigentlich ein Zugvogel aus Skandinavien, der den Winter in großen Schwärmen am Mittelmeer verbringt, einzelne Rotdrosseln bleiben jedoch manchmal hier, vergesellschaftet mit Wacholderdrosseln oder auch einzeln, dann kommen sie sogar bis in die Ortschaften, um nach Beeren oder überständigem Obst zu suchen
  • Wiesenpieper (71), in milden Wintern verbleiben in den weitläufigen Niedermoorwiesen des Thurbruchs oft einzelne Wiesenpieper, diese Zahl ist jedoch sehr hoch, sie resultiert v. a. aus einem geschlossenen Trupp von 58 Ind., die auf den noch gefrorenen Wiesen auf dem Eis nach Nahrung suchten und dabei ständig nach etwas pickten
  • Raubwürger (1), brüten auf Usedom nicht mehr, skandinavische Gäste halten jedoch jährlich mehrere großflächige Winterreviere auf der Insel, es ist trotzdem nicht so einfach, die Art dann dort auch zu finden

 

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Bericht der Wintervogelzählung 2021
Auswertung der Wintervogelzählung 2021.d
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Die komplette Auswertung in Tabellenform
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