Exkursion zu den Fischlandwiesen Darß und zum Ribnitzer Großen Moor am 6.10.2018

Einladung der Unteren Naturschutzbehörde an ehrenamtliche Naturschutzhelfer des Landkreises Vorpommern-Greifswald

Text: Bernd Schirmeister    Fotos: Marisa Kaster u. Bernd Schirmeister

Hatten wir ein Glück mit dem Wetter! Strahlender Sonnenschein, kaum Wind und spätsommerliche 21°C, beste Bedingungen für eine schöne und erlebnisreiche Exkursion. Die Untere Naturschutzbehörde hatte eingeladen, als Dankeschön an die vielen ehrenamtlichen Naturschutzhelfer des Landkreises Vorpommern- Greifswald für die geleistete Arbeit. Das Interesse war groß und so war der Bus mit über 40 Plätzen gut gefüllt. Auch aus der Usedomer NABU- Regionalgruppe waren etliche Mitglieder dabei.

 

Über die Zustiegsmöglichkeiten Pasewalk, Anklam und Greifswald wurden die Ziele nahe der Stadt Ribnitz- Damgarten im Kreis Vorpommern- Rügen angesteuert. Schon ab Stralsund ließen sich aus dem Bus auf den abgeernteten Maisfeldern große Trupps nahrungssuchender Kraniche ausmachen, die aus Skandinavien und dem Baltikum kommend, hier bis zu sechs Wochen Rast machen, bevor sie weiter in die südfranzösischen und spanischen Winterquartiere ziehen. Als Schlafplätze dienen Inseln und Flachwasserbereiche im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft.

 

 

Erste Station: Fischlandwiesen Darß

 

Südlich der Halbinsel Darß- Zingst nahe der Ortschaft Wustrow erstrecken sich ausgedehnte Wiesenkomplexe ehemaliger Niedermoore, die früher intensiver landwirtschaftlicher Nutzung mit all ihren negativen Folgen unterlagen (Trockenlegung, Moor-Sackungen, Freisetzung klimaschädlicher Gase, Verarmung von Fauna und Flora). Um diese Prozesse zu stoppen und durch neues Moorwachstum sogar umzukehren, wurden im Rahmen einer ökologischen Ausgleichsmaßnahme ca. 300 ha wertvolles Salzgrasland wieder renaturiert, die sogenannten Fischlandwiesen Darß zwischen Ostsee und Bodden. Verantwortlich für die Planung, Durchführung und die naturschutzfachlichen Begleituntersuchungen ist die Landgesellschaft M-V, die an anderer Stelle im Land bereits ähnliche Projekte durchgeführt hat. Am Parkplatz begrüßte uns Herr Dr. Erdmann vom Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz, der das wissenschaftliche Monitoring durchführt und unserer Gruppe das Gebiet und die einzelnen Maßnahmen zeigte.

 

So wurden alte Priele wieder hergerichtet, damit wieder Boddenwasser einströmen kann, um verlorengegangene Lebensräume wieder herzurichten, aber auch ausströmen kann, damit eine schonende landwirtschaftliche Nutzung weiterhin möglich ist. Diese ist notwendig, damit unerwünschte Sukzessionen wie Schilfaufwuchs verhindert wird. Die Bewirtschaftung erfolgt durch das Gut Darß, das auch im Nationalpark Salzgrasland naturschutzgerecht bewirtschaftet und somit über entsprechende Erfahrungen verfügt. Auf den Überschwemmungswiesen stehen Rinder, aber auch eine Herde von 30 Wasserbüffeln, die noch auf eine Stärke von 60 Tieren anwachsen soll. Der Auftrieb erfolgt in Abhängigkeit vom Wasserstand und der Brutzeit der Wiesenbrüter im Mai/Juni und dauert bis Oktober. Es erfolgt keine Zufütterung der Tiere und auch keine Düngung auf den Wiesen.

 

Die Landschaft sah im ersten Moment nicht sehr spektakulär aus, steckte aber voller Leben wie die Exkursionsteilnehmer schon auf den ersten Schritten des Rundgangs erleben konnten. In den nassen Wiesen tummelten sich zahlreiche Limikolen, die auf ihrem Weg von Skandinavien in die westeuropäischen und afrikanischen Winterquartiere hier Rast machen, intensiv fressen, um ihre Fettreserven für den anstrengenden Weiterzug aufzufüllen. Überall ertönten die Rufe von Bekassinen und Alpenstrandläufern. In diesem Jahr gab es auf den Flächen erste Bruten von Kiebitzen, Bekassinen und Rotschenkeln. In größerer Entfernung rasteten zahlreiche Graugänse, unter denen sich auch erste Trupps nordischer Arten wie Weißwangen- und Blässgänse aufhielten. Beim Erscheinen eines Seeadlers stiegen Hunderte Pfeif- und Krickenten aus den breiteren Prielen und von der nahen Boddenküste auf.

 

Beeindruckend war der Vogelzug an diesem Tag. Bei bestem Flugwetter war allerhand auf den Schwingen. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass die Ostseeküste hier einen fast geraden Verlauf von Ost nach West nimmt, eine ideale Leitlinie für den Vogelzug. Neben einzelnen Greifvögeln und vielen Kranichen waren es vor allem große Schwärme von Singvögeln wie Wiesenpiepern, Buch- und Bergfinken sowie Staren, die über die Beobachter hinweg nach Westen zogen. Leider mussten wir bald aufbrechen, denn wir hatten noch viel vor an diesem Tag.

 

 

 

Beobachtungsprotokoll:

 

 

 

Kormoran:                  9                      Kolkrabe:                   1

 

Graureiher:                 3                      Nebelkrähe:                4

 

Silberreiher:               2                      Rauchschwalbe:         2, nach W

 

Stockente:              250                     Feldlerche:               60, nach W                  

 

Pfeifente:              1300                     Hausrotschwanz:        1 (1, 0)

 

Krickente:              830                     Wiesenpieper:                   450, nach W

 

Graugans:               175                     Bachstelze:                 2

 

Blässgans:              220                     Schafstelze:                1

 

Weißwangengans:  160                     Stieglitz:                   15

 

Höckerschwan:          3, ad.               Bluthänfling:              8

 

Mäusebussard:           1                      Erlenzeisig:              80

 

Sperber:                      3                      Birkenzeisig:              3

 

Rohrweihe:                 2, diesj.           Buchfink:              2100

 

Wanderfalke:             1                      Bergfink:                  55

 

Kranich:                 780, nach W       Star:                        700

 

Kiebitz:                    70                     Rohrammer:               2

 

Kiebitzregenpfeifer:   5, juv.

 

Sandregenpfeifer:     12, juv.

 

Bekassine:                25

 

Grünschenkel:                        1

 

Alpenstrandläufer:    90

 

Zwergstrandläufer:    1

 

 

Zweite Station: Ribnitzer Großes Moor

 

Nun steuerten wir Neuheide an. Beim Tierpräparator Robby Krasselt, dessen Ausstellungen wir später noch besuchen wollten, gab es erst einmal Mittag: Wildgulasch oder Pilzcremesuppe. Es schmeckte gut, wenngleich den meisten die Terrinen etwas klein erschienen. Nachschlag gab es gegen Aufpreis. Naja, nicht so wild. Bevor sich das Suppenkoma breit machen konnte, ging es in den Wald. Die kräftige und gut artikulierte Stimme des uns führenden Försters ließ keine Müdigkeit aufkommen. Im Moor legten wir einen interessanten Rundweg zurück, der viele Einblicke in das Naturschutzgebiet bot.

 

Das 274 ha große Moor liegt zwischen den Badeorten Graal- Müritz und Neuhaus unweit der Ostsee. Es wurde schon 1939 unter Schutz gestellt und gehört zur Landschaftseinheit der Rostock- Gelbensander Heide, mit 13000 ha einem der größten zusammenhängenden Waldkomplexe in M-V. Das Moor besitzt einen Regenmoorkern innerhalb einer ausgedehnten Niedermoorniederung. Ausläufer des Moores lassen sich noch mehrere hundert Meter in die Ostsee hinein verfolgen, wie auch nach Stürmen angeschwemmte Torfbrocken zeigen. Im Süden des Moorkomplexes stehen Bruchwaldtorfe an, die nach Osten und Norden in Schilf- und Seggentorfe übergehen. Den größten Flächenanteil nehmen Torfe des Regenmoores ein. Leider wurde auch dieses Moor im 19. und 20. Jahrhundert entwässert, unmittelbar in die Ostsee sowie durch den Fischergraben in den Ribnitzer See. Bis 1950 wurde Torf großflächig und maschinell abgebaut, daneben auch kleinflächig in Handtorfstichen, was jedoch illegal war und streng verfolgt wurde. In den 90er Jahren wurde durch Grabenverschlüsse die Wasserrückhaltung verbessert, was sich im Absterben vieler Bäume zeigte, ein für die Exkursionsteilnehmer beeindruckendes Bild. Diese Maßnahme führte zu einer deutlichen Erhöhung des schwebenden Grundwassers in den Torfen und des Grundwassers in den Heidesanden.

 

Ebenso interessant waren die Ausführungen des Försters zu den Waldbildern, Pflanzen und Tieren. Kiefern- und Moorbirkenwälder, Erlen und teils sehr alte und mächtige Kiefern und Buchen gab es zu bewundern. An interessanten Pflanzen sahen wir weiterhin Königsfarn, Gagelstrauch, Sumpfporst, Glockenheide, den immer hungrigen Sonnentau und verschiedene Torfmoose. Letztere bilden eine trügerische Oberfläche, die man keinesfalls betreten sollte, um nicht als Moorleiche zu enden. Besonders beeindruckend waren die offenen alten Torfstiche, in deren klarem Wasser sich die Landschaft spiegelte. Vertreter der Tierwelt sind Kraniche (3 BP), Ringelnatter, Kreuzotter und Moorfrosch. 24 Libellenarten und 109 Schwebfliegenarten wurden nachgewiesen.

 

Eine forstwirtschaftliche Nutzung durch den Eigentümer, die Stadt Ribnitz- Damgarten, findet heute nicht mehr statt.

 

Für die Öffentlichkeit ist das Gebiet auf einem Rundweg, der viele Informationen am Wegesrand bietet, gut erlebbar.

 

 

Dritte Station: Die Naturschatzkammer in Neuheide

 

Nach dem anstrengenden Waldspaziergang ging es zurück nach Neuheide, wo wir uns bei Kaffee und Kuchen stärken konnten. Die Zeit drängte jedoch, denn es sollte ja noch in die Naturschatzkammer gehen. Ja, wo anfangen bei all den vielen Eindrücken, die dort auf uns einprasselten?

 

Klein angefangen hat auf jeden Fall Robby Krasselt. Vor der politischen Wende für die Staatsjagd als Trophäenpräparator tätig und mit vielen Privilegien ausgestattet, wagte er Anfang der 90er Jahre den unsicheren Schritt in die berufliche Selbstständigkeit. Nach längerer Durststrecke wurden die Aufträge mehr, wuchs die Präparationswerkstatt. Museen, wissenschaftliche Einrichtungen, Heimatstuben, Schulen, Jäger wurden seine Kunden. Auch das Naturschutzzentrum in Karlshagen und die Grundschule in Heringsdorf haben viele Präparate aus Neuheide bezogen. Mehr und mehr Standbeine kamen hinzu: Schaupräparation, Schulungen für Jäger, Verkaufsausstellungen, Leiter des Steinkauzzuchtprogramms in M-V für das Wiederansiedlungsprojekt, Verkauf von Wildprodukten, Imbissstand. Das war allein bald nicht mehr zu schaffen und so wuchs in Neuheide auf dem eigenen Grundstück ein mittelständisches Unternehmen heran, das eine Menge Arbeitsplätze schuf. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einer (ausschließlich privat geführten, ohne Fördermittel agierenden) Museumslandschaft war die Eröffnung des Pilzmuseums. Die im aufwändigen Plastinationsverfahren herstellten Pilzpräparate, gezeigt in Dioramen in natürlicher Umgebung, begeisterten die immer zahlreicheren Besucher. Inzwischen ist noch ein Ausstellungshaus zum Thema Wald und Moor dazugekommen. Und schließlich der Höhepunkt, die Naturschatzkammer. Wobei Kammer stark untertrieben ist, denn auf zwei Etagen wird ein umfangreicher und bunter Querschnitte nicht nur durch die heimische Natur gezeigt.

 

Zuallererst natürlich die gewaltige Menge an Präparaten, vom Wintergoldhähnchen bis zum Rothirsch fehlt nichts, großzügig und attraktiv präsentiert. Dazu kommen Insekten und andere Krabbeltiere in zig Arten weltweit vertreten, Muscheln und Schnecken ebenfalls in Tausenden Arten, wundervoll aufgebaut, exakt beschriftet, nichts wird nur zur Schau gestellt. Eine große Fossilienabteilung, Minerale und Edelsteine in den buntesten Farben ließen alle Zuschauer staunen. Der Hausherr selbst führte unsere Gruppe durch die Räume und es gab nochmal mündlich Interessantes und Wissenswertes zu den Exponaten in Hülle und Fülle. Nicht streng wissenschaftlich doziert, sondern in angenehmem Plauderton, gewürzt mit Geschichten und Anekdoten. Nicht minder interessant war das vermittelte Hintergrundwissen zur Entstehung der Ausstellung und zu vielen einzelnen Stücken. Dabei geizte Robby nicht mit Superlativen, sind doch manche Stücke wahre Raritäten und Kostbarkeiten, nicht nur in der Natur, sondern auch auf den Sammlermarkt. Noch kurz in die Verkaufssaustellung, dann drängte unser Busfahrer zum Aufbruch, denn die Lenkzeiten müssen nun mal eingehalten werden.

 

Kopf, Tasche und Foto-Chip voll mit Eindrücken, Erinnerungen und Andenken gelangten alle Teilnehmer wieder wohlbehalten nach Hause.

 

Ein Dankeschön an die untere Naturschutzbehörde für diesen erlebnisreichen Tag.

 

 

 

Bernd Schirmeister