Auswertung der Mittwinterzählung vom 11.01./12.01.2020

Bernd Schirmeister

Graugans, Wasservogel, NABU
Grauganspaar (Foto: NABU/A. Trepte/www.photo-natur.de)

Zählgebiete und Zähler

  •  Datum der Zählung war der 11./12.01.2020, überwiegend wurde am Sonnabend, den 11.01.2020 gezählt, so dass Doppelzählungen und Überlagerungen weitestgehend ausgeschlossen werden konnten
  • einzelne, meist kürzere Abschnitte (Schmollensee) wurden auch einen Tag vorher bzw. am Sonntag südöstliche Ostseeküste, Thurbruch) gezählt
  • Koordinierung der Zählung ist immer anspruchsvoll, da unter den Teilnehmern etliche ältere Kollegen sind und auch mehrere Neulinge, die Interesse zeigen und vielleicht eingearbeitet werden können, man muss aber auch oft auf persönliche Belange Rücksicht nehmen
  • insgesamt sind es 15 Zählgebiete auf Usedom, dem angrenzenden Festland am Peenestrom und im Peenetal, die international festgelegt sind und eine sitecode- Nummer tragen
  • alle Zählgebiete wurden vollständig bearbeitet
  • auf Usedom waren insgesamt 24 Mitglieder und Freunde der NABU- Regionalgruppe im Einsatz, im nördlichen Peenestrom erhielten wir Unterstützung durch D. Sellin aus Greifswald, die Polder Murchin und Pinnow wurden durch K. Vegelin von der Landgesellschaft M-V gezählt
  • Rückmeldung aller Daten erfolgte innerhalb von zwei Wochen, so dass die Endbearbeitung und Auswertung der Daten zügig abgeschlossen werden konnte
  • außerdem dritter (von vier) nationaler Zähltermin für Gänse, für die gesonderte Zählbögen auszufüllen sind
  • zudem internationale (europaweit) Erfassung der Schwäne (erfolgt im Fünf-Jahres-Rhythmus) mit dem Schwerpunkt Sing- und Zwergschwan  

Wetterbedingungen

  • erneuter Mildwinter, der dritte in Folge, dieses Jahr sogar ohne vorherige kurze Frostperioden, so dass alle Gewässer durchgängig eisfrei waren
  • dadurch fanden keinerlei Winterfluchtbewegungen mit großräumigen Verschiebungen der Rastbestände statt
  • an allen drei Tagen gab es ungewohnt komfortabel gute Erfassungsbedingungen, der Regen am Freitagfrüh zog recht schnell nach Norden raus, dann vertrieb der Wind den Dunst und die Sicht wurde klar, ähnlich war es am Sonnabend und Sonntag, morgens leichter Nieselregen und dunstig, später aufkommender Wind brachte gute Sicht
  • die Temperaturen lagen durchweg im einstelligen Plusbereich, manche Zähler ließen auch mal die Handschuhe am Spektiv weg 
  • der Wind, am Freitag aus Nordwest, am Sonnabend und Sonntag aus Südwest und der damit  verbundene Wellenschlag spielte natürlich eine Rolle an den windexponierten Küsten wie am Stettiner Haff

Ergebnisse

  • auf Grund der milden Witterung konnte  jeder Zähler in seinem Abschnitt mit Wasservögeln rechnen, die Frage war dann: Wo und wieviele ?, hier macht sich bei den langjährigen Teilnehmern gute Ortskenntnis und Erfahrung bemerkbar, sie wissen z. B. wo Muschelbänke im Gewässer sind und mit Tauchenten zu rechnen ist oder wo sich bei ungünstigen Windverhältnissen die Enten in windgeschützte Buchten zurückziehen oder wo Kormorane ihre Schlaf- und Tagesruheplätze haben, auf welchen Bäumen die Seeadler gern ruhen usw.
  • einige Zähler hätten auf Grund der bis dahin durchgehend milden Witterung vielleicht sogar mit noch wesentlich mehr Wasservögeln gerechnet, das war jedoch nicht der Fall, da es auch in Südskandinavien und bis ins Baltikum ähnlich mild war, verblieben offenbar viele Vögel in diesen Regionen und zogen gar nicht bis zu uns, das zeigte sich z. B. bei den Stockenten, Tauchenten, Sägern, einigen Gänsearten und Möwen, d. h. milde Winter bedeuten nicht auch automatisch viele Vögel, v. a. die großen Binnengewässer wie Gothensee und Schmollensee  waren auffallend vogelleer.
Jahr 2018 2019 2020
Gesamtzahl 53500 40960 42639
  Mildwinter* Mildwinter* Mildwinter*
Artenzahl 47 45 52
  *Diese Angabe ist nicht im meteorologischen Sinn zu verstehen, sondern bezieht sich auf die Bedingungen zum Zeitpunkt der Zählung.

Aber z. B. waren es 2013 nur 31 Arten. Extrem hohe Artenzahl, viele Arten kamen nur in geringen Anzahlen zur Beobachtung, wenige Arten dagegen in hohen Konzentrationen, ein typisches Winterbild mit aber doch ein paar Ausreißern

 

Schwerpunktgebiete:

  • Peenestrom Mitte     6075 Ind.
  • Peenestrom Süd        5014 Ind.
  • Peenestrom Nord     4623 Ind.

Aber auch die Zählstrecken am Achterwasser und Stettiner Haff erwiesen sich als wasservogelreich. Unter den Gebieten ist jedoch ähnlich wie im vorigen Jahr kein Zählgebiet, das Konzentrationen von über 10000 Wasservögeln aufwies, was sonst immer der Fall war. Zählgebiete an der Ostsee fehlen bei den wasservogelreichsten Strecken.

 

Häufigste Arten

  2018 2019 2020
Kormoran 4948 4298 6098

Größere Ansammlungen fischender Kormorane gab es am Peenestrom, deren Herkunft unklar ist und am Stettiner Haff sowie von den Schlafplätzen am Schmollensee und Gothensee, die in diesem Winter durchgängig besetzt sind.

  2018 2019 2020
Graugans 4478 5479 5482

Fast identischer Rastbestand im Vergleich zum Vorjahr, seit Jahren steigende Tendenz, inzwischen im Winter oft häufiger als die nordischen Arten. Nahrungsgebiete sind die großen Niedermoorwiesen, in deren Nähe sich dann meist auch die Schlafgewässer befinden.

  2018 2019 2020
 Stockente 11904 8671 4022

Die Art liegt jährlich in der Spitzengruppe, häufigste Gründelente. Aber in diesem Jahr deutlich geringerer Rastbestand, vermutlich sind größere Anteile der Population auf Grund des milden Winters östlich und nördlich verblieben, keinesfalls zeigen die Zahlen Rückgänge an. 

  2018 2019 2020
Gänsesäger 3060 3132 3184

Ähnlicher Rastbestand wie in den Vorjahren, wohl wie bei der Stockente großräumigere Verteilung des Winterbestandes in Europa,  Konzentration auf zwei Zählgebiete am nördlichen Achterwasser und im Haff.

 

Häufige Arten

Hierzu zählen erneut die grauen Gänse, die aufgrund fehlenden Schnees und offener Gewässer günstige Nahrungsbedingungen und störungsarme Schlafplätze vorfanden.

  2018 2019 2020
 Blässgans 4478 2103 2889

Bei dieser Art halten sich Mildwinter- und Eiswinterrastbestände oft die Waage. In strengeren Wintern weichen viele Blässgänse in westlich gelegene Winterquartiere bis nach Holland aus. In milden Wintern  kommen viele gar nicht bis zu uns und verbleiben östlich. Zudem gab es angrenzend an unsere Zählgebiete südlich der Peene große Ansammlungen. Blässgänse nutzen die Landschaft recht großräumig, so dass manchmal innerhalb kurzer Zeit immer wieder wechselnde Rastbestände beobachtet werden können, manchmal auch störungsabhängig, wie z. B. durch jagdliche Aktivitäten.

 

Deutlich mehr Vögel

  2018 2019 2020
 Haubentaucher 487 470 634

In den beiden vorherigen milden Wintern gab es eine gute Übereinstimmung, wobei z. B. Ende 2017 noch über 700 Ind. auf dem südlichen Achterwasser rasteten. Witterungsbedingt gibt es jedoch auch größere Schwankungen wie 2017 nach ausgeprägter Winterflucht hierher. Haubentaucher halten sich nur in kleiner Zahl auf den Binnengewässern auf, sondern nutzen eher die inneren Küstengewässer und auch die Ostsee zum Überwintern.

  2018 2019 2020
 Graureiher 154 174 209

Die Art ist stark von offenen Binnengewässern abhängig, kann in Kälteperioden im Gegensatz zu anderen Wasservögeln auch nicht auf die Ostsee ausweichen. Ähnlich wie der Silberreiher können sich Graureiher jedoch auf Mäusenahrung umstellen, wenn diese  ausreichend zur Verfügung stehen und die Wiesen schneefrei sind.

  2018 2019 2020
 Weißwangengans 1177 912 1476

Die Art tritt selten in reinen Trupps auf, sondern eher vergesellschaftet mit Blässgänsen. Dabei wird Grünland bevorzugt. Weitere große Ansammlungen mit über 2500 Ind. gab es südlich der Peene. In den letzten Jahren gab es deutliche Zunahmen, was auf steigende Brutbestände in der russischen Arktis zurückzuführen ist.

  2018 2019 2020
 Eisente 280 495 1121

Keine Zunahme, sondern erfassungsbedingt. Die Art hält sich ausschließlich an der Außenküste auf, meist offshore, also küstenfern, wo sie z. B. in der nicht tiefen Pommerschen Bucht große Rastbestände bildet und nach Muscheln taucht. Manchmal kommen Trupps auch dichter an die Küste, wo sie bei Wellenschlag aber oft der Beobachtung entgehen.

  2018 2019 2020
Sturmmöwe 578 533 1459

Ebenfalls keine Zunahme, sondern nahrungsökologisch bedingt. Bei nasser und milder Witterung sucht die Art verstärkt in terrestrischen Habitaten Nahrung, z. B. auf  überschwemmten Wiesen nach Regenwürmern und kommt dann natürlich besser zur Beobachtung, als wenn sie auf dem Meer nach Fischen jagt.

Gute Übereinstimmung

  2018 2019 2020
 Silberreiher 56 143 143

Inzwischen zählt die Art zu den regelmäßigen Überwinterern in wechselnder Zahl, aber selbst in strengen Wintern verbleiben einige Ind. Dieselben Silberreiher wie im vorigen Jahr werden es wohl nicht gewesen sein, aber die Übereinstimmung ist schon frappierend. Allerdings war die Verteilung jetzt völlig anders. Neben den üblichen Konzentrationen im Peenetal gab es bis auf die Ostseeküste in fast allen Zählgebieten Beobachtungen. Ursache ist klar die für die Reiher günstige Nahrungssituation. Fisch wird kaum gefressen, dafür umso mehr Wühlmäuse auf den Wiesen, die in diesem Winter in hoher Zahl als energiereiche und leichte Beute zur Verfügung stehen.

  2018 2019 2020
 Höckerschwan 674 748 770

Ähnlich wie der Singschwan nutzt die Art überwiegend Rapsfelder zur Nahrungssuche. Auf Gewässern sind meist nur kleine Trupps anzutreffen, auf den Binnenseen oft nur überwinternde Revierpaare. Konzentrationen gab es im nördlichen Peenestrom sowie im Peenetal.

  2018 2019 2020
 Blässralle 774 1099 1292

Die Art braucht offene Binnengewässer, um tauchend an Muscheln und Wasserpflanzen zu kommen. Konzentration nur auf dem Haff und am Peenestrom (Hafen Lassan) sowie im Peenetal.

  2018 2019 2020
 Lachmöwe 956 1099 1283

Konzentration ganz überwiegend an der Ostseeküste, wo sie auch von Fütterungen durch Touristen profitiert.

 

Deutlich weniger Vögel

  2018 2019 2020
 Schellente 4530 1350 799

Auffallend niedriger Rastbestand, nur in drei Gebieten gab es kleinere Ansammlungen, auf der Ostsee fehlte sie im Gegensatz zu härteren Wintern sogar weitestgehend.

  2018 2019 2020
 Zwergsäger 587 2590 699

Nach dem vorjährigen Allzeithoch wieder Rastzahlen im für Mildwinter üblichen Bereich. Konzentration im Stettiner Haff und nördlichen Achterwasser, dort wurden in dichten Pulks windgeschützte Buchten zur Rast aufgesucht. Fischjagd findet oft direkt am Schilfrand statt.

 

Schwankende Rastbestände

  2018 2019 2020
Saatgans 1429 961 2878

Hier muss man sich vor zu engen Interpretationen hüten, denn die Gänse nutzen die Landschaft großräumig und ziehen auf der Suche nach geeigneten Nahrungsflächen weit umher. Die Saatgans ist von den grauen Gänsen diejenige mit dem breitesten Nahrungsspektrum. Im Herbst werden vorwiegend Maisstoppeln genutzt, während es später Wintergetreide, Raps und/oder Grünland sein kann. Sowohl Tundra- als auch Waldsaatgänse kommen bei uns im Winter vor.

  2018 2019 2020
 Reiherente 4257 1979 2433

Davon allein 2249 auf dem südlichen Peenestrom über einer Muschelbank, von denen sie sich ernährt. Stark schwankende Zahlen  sind oft witterungs- und nahrungsabhängig.

  2018 2019 2020
 Bergente 8635 35 492

Wieder ein sehr niedriger Wert. Die Art hat ihren Rastschwerpunkt in der Peenemündung. Dort rasteten im Usedom nächstgelegenen Zählgebiet gewaltige 70000 Bergenten in der Spandowerhagener Wieck, wo sie tagsüber schlafen. Nachts fliegen sie auf den Greifswalder Bodden, um tauchend Muscheln zu erbeuten. Auch bei dieser Art muss man sich vor zu kleinräumigen Aussagen hüten.

  2018 2019 2020
 Silbermöwe 1535 922 1516

Vergleichbarer Rastbestand wie 2018. Silbermöwen sind sowohl an der Außenküste als auch an den inneren Küstengewässern anzutreffen, wo sie überwiegend Fisch erbeuten.

  2018 2019 2020
 Seeadler 143 80 176

Vergleichsweise hoher Rastbestand. Der Einzugsbereich umfasst weite Teile von M-V, daneben aber auch Polen und in geringerem Maße Skandinavien, wie Ablesungen beringter Adler zeigen. Komfortable Nahrungssituation durch überwinternde Wasservögel, reichlich Fische, Fischereiabfälle, Aas und Jagdreste. Oft treten die Seeadler in beeindruckenden Gruppen auf. Schwankende Zahlen können aber auch erfassungsbedingt sein, da die Adler nicht den ganzen Tag aktiv sind, sondern oft über Stunden ruhen.

Besonderheiten

Dazu zählen einige Gründelentenarten, die in strengen Wintern sonst abwandern. Manchmal verbleiben wenige Ind. zwischen den großen Stockentenansammlungen. Meist kommt es nur in den Flachwasserpoldern im Peenetal in milden Wintern zum Verbleiben größerer Trupps. In diesem Jahr wurden jedoch auch an anderen Gewässern Gründelenten registriert.

  • Schnatterente: 311, davon 232 in den Murchiner Wiesen, 2019 jedoch 945 Ind.
  • Pfeifente: 98, Konzentration im nördlichen Peenestrom, schon im Greifswalder Bodden ist die Art wesentlich häufiger, was sich entlang der Küste Richtung Westen fortsetzt.
  • Spießente: 22, Konzentration am Peenemünder Haken.
  • Löffelente: 35, Murchiner Wiesen, Winterbeobachtungen sind selten, da die Art Zugvogel ist und in Südeuropa überwintert.
  • Krickente: 50, davon 42 am südlichen Achterwasser
  • Kranich: 43, bemerkenswert hoher winterlicher Rastbestand für unsere Region, etliche Revierpaare waren nicht abgewandert, daneben gab es aber auch Rasttrupps, wie sie sonst im schon stärker kontinental geprägten Osten kaum vorkommen, südlich der Peene überwinterten sogar einige Hundert Kraniche, im Westen des Landes mehrere Tausend
  • Wasserralle: 3, nach 8 im Jahr 2019, neigt bei milder Witterung zum Ausharren, Nachweise meist nur über kurze Rufaktivitäten 

Auch von einigen Limicolenarten gelangen Beobachtungen zur Mittwinterzählung. Während der Große Brachvogel jährlich am Peenemünder Haken überwintert, sind Nachweise der anderen Arten in dieser Jahreszeit nicht häufig.

  • Großer Brachvogel: 629, davon 210 am Peenemünder Haken, Allzeithoch, ungewöhnlicherweise erfreuten aber auch in der Agrarlandschaft größere Trupps Brachvögel die Beobachter, so am Stettiner Haff, Lieper Winkel und am nördlichen Peenestrom
  • Kiebitz: 317, ebenfalls Allzeithoch, in mehreren größeren Grünlandkomplexen hielten sich die hübschen Watvögel auf, wo sie offenbar genügend Nahrung fanden
  • Bekassine: 1, am Stettiner Haff, benötigt stocherfähigen Boden zur Nahrungssuche, bei Frost wird das Gebiet geräumt
  • Alpenstrandläufer: 135, ein Rasttrupp in den Windwatten am Peenemünder Haken
  • Eisvogel: 14, in insgesamt sechs Zählgebieten, auf Grund der milden Winter in den letzten Jahren konnte die Fisch fressende Art ihren Bestand halten, während es in Kältewintern oft hohe Verluste gibt und es Jahre dauern kann, bis diese wieder ausgeglichen sind
  • Bartmeise: 8, Beobachtungen kleiner Trupps auf insgesamt zwei Strecken, wohl jährlich in Mildwintern verbleiben Bartmeisen in den großräumigen Schilfgebieten entlang des Peenestroms, Achterwassers sowie im Peenetal.
Download
Übersicht aller gezählten Arten
In dieser Übersicht finden Sie noch einmal das Gesamtergebnis aller gezählten Arten.
Winterzaehlung_2020 - Gesamtergebnis.pdf
Adobe Acrobat Dokument 59.5 KB